VP I Röntgenbeugung

 

Dieser Versuch wurde abgebaut und existiert in dieser Form nicht mehr.


Verantwortlich: Dr. H.P. Lang, Büro 3.23, int. Tel. 73769.


Motivation:

Beugungserscheinungen treten dann auf, wenn die Wellenlänge der verwendeten Strahlung vergleichbar ist mit periodischen Strukturen der zu untersuchenden Probe. Dies kann man sich zunutze machen, um die Anordnung der Atome in einem Festkörper zu untersuchen, wenn elektromagnetische Strahlung mit einer Wellenlänge von der Grössenordnung der Atomgitterabstände verwendet wird. Röntgenstrahlen wurden 1895 von Wilhelm Conrad Röntgen entdeckt. Dafür hat er 1901 den Nobelpreis für Physik erhalten. In diesem VP I Versuch wird eine Debye-Scherrer Kamera verwendet. Als Probe dient ein Kupferdraht, der aus einzelnen, zufällig orientierten, polykristallinen Kupferkörnern besteht. Dieses Experiment gibt einen Einblick, wie in der Physik Kristallstrukturen bestimmt werden können. Letztlich lässt sich die Gitterkonstante von Kupfer auch ohne Kenntnis der Wellenlänge der Röntgenstrahlung messen. In diesem Versuch sammelt man auch Erfahrung im Entwickeln von Röntgenfilmen (Dunkelkammer).


Aufgabe:

Es soll die Kristallstruktur (Gitterkonstante) von polykristallinem Kupfer bestimmt werden. Dazu steht eine Debye-Scherrer Kamera zur Verfügung, die Röntgenröhre besitzt eine Kupferanode.


Literatur:

H. Kirschner: Einführung in die Röntgenfeinstrukturanalyse, Vieweg, Braunschweig (PDF-File, 7402 kB).


Zur Theorie der Strukturanalyse:

Wir beschreiben die Röntgenstrahlung als klassische, ebene elektromagnetische Welle, die in Richtung des Wellenvektors ko einfällt:

S(r,t) = So exp[ i(ko r - wt) ]

Sie wird durch die Hüllenelektronen der Atome gestreut, d.h., jedes Atom wirkt als Zentrum einer auslaufenden Kugelwelle. Durch phasengerechte Addition der Amplituden dieser Streuwellen erhalten wir die totale Streuamplitude für jeden vorgegebenen Streuwinkel. In einer Entfernung, die gross ist verglichen mit der Probendimension, können wir die gestreute Welle als eben betrachten, wobei ihr Wellenvektor k mit ko den Streuwinkel 2q seinerseits durch die Position des Detektors festgelegt. Wie aus Figur 1 ersichtlich ist, ergibt sich beim Atom an der Stelle Rj relativ zu einem Atom im Koordinatenursprung O ein Gangunterschied (ko - k)Rj für die dazugehörige Streuwelle.



Wir führen den sogenannten Streuvektor K = (ko - k) ein, sodass die totale Amplitude der Streuwelle folgende Form hat:


Aus Figur 2 ist ersichtlich, dass der halbe Streuwinkel q, der sogenannte Braggwinkel, mit dem Streuvektor K durch folgende Beziehung verknüpft ist:


Der Einfachheit halber gehen wir zunächst aus von der Annahme, dass die Streuzentren in einem kubischen Gitter mit der Gitterkonstanten a angeordnet seien. Dies bedeutet, dass die Ortsvektoren Rj der Atome von der Form


Besitzt nun der Streuvektor K die Komponenten k1, k2 und k3, so ergibt sich für die Exponenten der Summanden von (1) die Gestalt:


Es lässt sich anschaulich einsehen, dass die Summe der riesigen Anzahl von e-Funktionen nur dann einen wesentlichen Wert erreicht, wenn die Komponenten ki von K ein ganzzahligen Vielfaches von 2p/a sind, denn nur dann addieren sich die einzelnen komplexen Summanden für beliebige Zahlentripel ni in gleicher Phasenlage zu einer entsprechend riesigen Amplitude. Wir können also nur in jenen Streurichtungen Intensität erwarten, für welche der Streuvektor K von der Form 


Es ist somit jeder beobachtete Reflex durch ein Zahlentripel h, k, l indizierbar, wir können jetzt die zugehörigen Braggwinkel nach (2) mit h, k und l ausdrücken:


(4) Enthalten h, k und l einen ganzzahligen gemeinsamen Teiler m, so können wir schreiben (h, k, l) = m (ho, ko, lo) , wobei dann ho, ko und lo die teilerfremden Millerindices sind und die natürliche Zahl m die Ordnung des Reflexes bedeutet. Durch Vergleich von (4) mit der Bragg'schen Gleichung:


erkennt man leicht, dass die Millerindices eine Netzebenenschar mit dem Netzebenenabstand


repräsentieren.

Im allgemeinen kristallisieren Metalle nicht im oben angenommenen, primitiv kubischen, sondern viel häufiger im kubisch flächenzentrierten (fcc) oder im kubisch raumzentrierten (bcc) Gitter. Unsere Betrachtungsweise kann aber leicht auf diese Fälle ausgedehnt werden; wir wollen dies für das fcc-Kristallgitter tun. Kubisch flächenzentriert bedeutet, dass nicht nur die Ecken der Würfel mit der Kantenlänge a, sondern auch die Schnittpunkte der Seitendiagonalen Gitterplätze sind. Wenn wir diese Würfel als Einheitszellen wählen, so enthält jede Einheitszelle genau 4 Atome, weil von jedem Eckatom nur 1/8 und von jedem der 6 Flächenatome nur die Hälfte zum Würfelvolumen gezählt werden darf. Wir fassen nun jeweils ein Eckatom und seine drei benachbarten Flächenatome zu einer Basis zusammen. Legen wir den Koordinatenursprung in eine Würfelecke, so ergeben sich für die Basisatome folgende Ortsvektoren:

R1 = ( 0, 0, 0 ) a

R2 = ( 1/2, 1/2, 0 ) a

R3 = ( 1/2, 0, 1/2 ) a

R4 = ( 0, 1/2, 1/2 ) a

Offenbar kann nun das fcc-Gitter durch sukzessive Translation der Basis um die Gitterkonstante a entlang der drei Koordinatenachsen aufgebaut werden. Unsere oben hergeleitete Bedingung (3) ist nach wie vor gültig, wenn wir nur die dortigen Atome durch die Basis ersetzen. Freilich müssen wir jetzt bei der Berechnung der Streuamplitude nach (1) berücksichtigen, dass die einzelnen Summanden eine Strukturamplitude besitzen, welche für die Anordnung der 4 Basisatome charakteristisch und der Grösse


Ausgedrückt in Komponenten von K ergibt dies


Diese Summe ist nur dann von Null verschieden, wenn die Indices h, k und l entweder alle gerade oder alle ungerade sind. Unsere Ueberlegungen laufen also darauf hinaus, dass wir auf Grund der auftretenden Auswahlregel für die Indices h, k und l entscheiden können, ob es sich um eine fcc-Struktur handelt oder nicht. Es ist allgemein so, dass jede Strukturamplitude, die auftreten kann, eine bestimmte Auswahlregel verlangt, welche durch die spezielle Symmetrie der Basis festgelegt wird.


Zur Auswertung der Messergebnisse (Aufgaben):

Als experimentelles Resultat liegt ein Film mit Röntgenbeugungsringen vor. Mit dem Durchmesser der Debye-Scherrer Kamera (57.3 mm) lassen sich aus den Ringradien leicht die auftretenden Braggwinkel berechnen. 

  1. 1.Ueberlege, welche Indices h, k, l aufteten können unter der Arbeitshypothese, dass es sich bei Kupfer um ein kubisch flächenzentriertes Kristallgitter handelt.

  2. 2.Es sollen die Indices h, k, l zugeordnet werden, wobei Gitterkonstante a und Wellenlänge l zunächst unbekannt sind. Man geht so vor, dass man auf einem Papierstreifen log ( sin2 q ) für alle beobachteten q aufträgt. Anderseits trägt man auch log (h2 + k2 + l2) für alle ganzzahligen Tripel auf einen zweiten Papierstreifen auf. Nun verschiebt man die beiden Streifen so lange gegeneinander, bis alle Marken des ersten mit einer des zweiten zusammenfallen. Die zugehörigen Zahlentripel sind die richtigen h, k, l Werte und entsprechen eben bestimmten Auswahlregeln. Damit ist unsere Annahme, dass es sich bei Kupfer um ein kubisch flächenzentriertes Gitter handelt, bestätigt. 

  3. 3.Aus (4) kann nun die Gitterkonstante a bestimmt werden, wenn die Wellenlänge der Cu Ka Strahlung (l=1.5418 Å) als Literaturwert verwendet wird. Der Tabellenwert für die Gitterkonstante von Cu beträgt 3.6150 Å. Berechne die Abweichung Deines Wertes vom Tabellenwert (relativer Fehler) und führe eine Fehlerrechnung durch.

  4. 4.Ueberlege aber auch, wie man aus Kenntnis des Strukturtyps (kubisch flächenzentriert), der Avogadrozahl (6.02 x 1023), der Dichte (8.92 g/cm3) und der Molmasse des Probenmaterials (63.55 g/mol) die Gitterkonstante a berechnen, und daraus die Wellenlänge der verwendeten Röntgenstrahlung nachträglich bestimmen kann. Berechne die Gitterkonstante von Cu auch auf diese Art.


Zur Fehlerrechnung:



Tips:

  1. Die Kühlung der Röntgenröhre muss unbedingt eingeschaltet werden (Wasserkreislauf).

  2. Der Filamentstrom der Röntgenröhre darf nur äusserst langsam auf den Betriebswert (Absprache mit Assistent) gesteigert werden, damit die Lebensdauer der Röntgenröhre nicht unnötig verkürzt wird (Röntgenröhren sind sehr teuer,ca. 5kFr).

  3. Beim Betrieb der Röntgenröhre muss das Bleigehäuse um die Debye-Scherrer Kamera geschlossen sein, um unnötige Strahlenbelastung des Experimentators zu vermeiden.

  4. Der Röntgenfilm darf nur im Dunkeln transportiert und eingebaut werden. Entnimmt man der Filmschachtel einen Filmstreifen, muss unbedingt darauf geachtet werden, dass die Filmschachtel wieder verschlossen wird, bevor das Licht angeschaltet wird.

  5. Typische Belichtungszeit (mit eingeschaltetem Motor für die Drehbühne): einige Stunden. Sehr gute Resultate wurden bei einer Messung über Nacht erreicht.

  6. Filmentwicklung und -fixierung: auf den Chemikalienflaschen angegebene Konzentrationen beachten.

  7. Fotolabor: mit Rotlicht arbeiten. Entwicklungszeit: 1-2 Minuten. Film nur vom Entwicklerbad in das Fixierbad transportieren. Fixierzeit 1-2 Minuten. Danach gut wässern. Film nur mit Pinzette anfassen. Falls die Pinzette mit dem Fixierbad in Berührung gekommen ist, zuerst mit Wasser abspülen, bevor sie wieder ins Entwicklerbad gebracht wird. Verbrauchten Entwickler und Fixierer in die entsprechenden Abfallkanister giessen.


  1. email: Hans-Peter.Lang@unibas.ch

  2. phone: +41 61 267 3769

  3. fax: +41 61 267 3784

  4. Institut für Physik, Klingelbergstr. 82, CH-4056 Basel

H.P. Lang, 15.5.98 / 18.2.2000